Contergan: weitere Fälle und Menschlichkeit
Man sollte eigentlich meinen, dass Menschen auch aus Katastrophen lernen, aber das ist wohl nur ein frommer Wunsch. Tatsächlich passieren jedes Jahr ähnliche Tragödien. So leben in Vietnam abertausende verkrüppelte Menschen, die nach dem Gebrauch von Agent Orange durch die amerikanische Armee im Vietnamkrieg geboren wurden. Seweso in Italien, Bhopal in Indien und Tschernobyl in der Ukraine waren nur die bekanntesten. Zur Zeit vergiftet die chinesische Industrie ganze Landstriche. Neulich kam die Meldung, ein See wäre vergiftet. Aus diesem bekämen 9 Millionen Menschen ihr Trinkwasser. Gerade in China und den ehemaligen Ostblockstaaten sind Menschen anscheinend wertlos.
Die Gentechnik geht mit Sicherheit teilweise in die falsche Richtung. Da träumt zum Beispiel jemand von Kühen, deren Milch Insulin enthält. Natürlich ist Humaninsulin wichtig, aber stellen Sie sich mal vor, jemand trinkt aus versehen diese Milch. Der kann davon sterben! Einige seltsame Gruppen – nennen wir sie Sekten, träumen von genetisch verbesserten Menschen. Das ist pervers! Und wie sich das auswirkt, wenn Pflanzen ihre eigenen Insektizide produzieren ist auch nicht klar. Wer mag schon Pflanzenschutzmittel im und nicht auf dem Apfel, wo man sie wenigstens weg waschen kann.
Ich habe da einen Traum: ein Bildband über die Contergangeschädigten wie sie heute leben.
Stellen Sie sich mal vor, es gäbe so etwas. Bald ist die Olympiade in China. Wer dort hin fährt, könnte ein Exemplar mitnehmen und es dort verschenken. Man könnte es auch zu Tausenden an die chinesische Regierung schicken mit dem Hinweis, das wir die Menschen lieben und nicht wollen, das die Chinesen sich selbst durch Habgier auslöschen.
Oder stellen Sie sich vor, jemand fährt nach Vietnam und hat einen Bildband über Contergan dabei. Die Vietnamesische Regierung will die verkrüppelten Menschen nicht zeigen, aus Angst, es kämen dann keine Touristen mehr. Sie könnten den Menschen dort Mut machen. Sie könnten die verkrüppelten Menschen suchen und sie und deren Eltern auch mal in den Arm nehmen. Die brauchen das nämlich. Wenn die Menschen in Vietnam das Buch sehen würden, könnten sie merken, das wir sie trotz der Katastrophe mit Agent Orange lieben.
Sie müssen sich mal vorstellen, wie das damals bei uns in Deutschland war, als die Contergankinder ( ich bin ja auch eines gewesen!) zur Welt kamen. Tausende Familien haben sich damals gefragt: „Mögen uns die anderen noch, wenn die merken, dass unser Kind anders aussieht?" In vielen Ländern der Welt gilt eine Behinderung als etwas schreckliches. Aber auch bei uns gibt es wieder solche Tendenzen. Schon heute werden Mongoloide meistens abgetrieben, weil sie im Gesundheitssystem ein unangenehmer Kostenfaktor sind. Ja, sie haben richtig gelesen: ein Kostenfaktor!
In den USA gibt es kein Sozialsystem wie bei uns. Trotzdem will George Bush Junior die Welt mit dem „american way of life" beglücken. Sein vermeintlicher Gegner sind doch nur Menschen, die keine Ahnung von der Welt haben. Wenn Sie im Urlaub in einem fernen Land sind, schauen sie doch mal, was die Leute dort am liebsten im Fernsehen sehen. Die schauen sich nämlich nur Liebesfilme und Volksmusiksendungen an. Wenn die Afghanen wirklich wüssten, was sie mit ihrem Heroin anrichten, würden sie vielleicht keinen Opium-Mohn anbauen. Und in den islamischen Ländern wüsste man schon aus dem Fernsehen, dass woanders auch nur Menschen leben.
Aber mein Buch über die Menschen ohne Arme wird wohl eine Utopie bleiben. Ich habe nicht das Geld um es zu machen. Ich kann mir zurzeit noch nicht einmal eine brauchbare Kamera kaufen. Dann müsste ich quer durch ganz Deutschland reisen um die Fotos zu machen. Die anderen „Contergangeschädigten" würden möglicherweise auch nicht mitmachen. Viele verstecken sich regelrecht. Ich tue das nicht, denn es ist normal, wenn jemand neugierig mehr wissen will.
Aber, auch ohne dieses Buch: wer in ferne Länder fährt, kann mal dort fragen, wie es den behinderten Menschen dort geht und von der Contergankatastrophe bei uns erzählen. Das kostet nur ein kleines Bisschen Zeit und bringt vielleicht ein paar Freunde auf einem anderen Kontinent.