Über die Bilder

 

Ich hatte meinen ersten künstlerischen Erfolg im Alter von sieben Jahren. Ich sollte im Religionsunterricht ein Bild malen mit dem Titel: die Vertreibung aus dem Paradies. Ich war von der Geschichte sehr beeindruckt, besonders von den Flammenschwertern der Erzengel. Für mich war es völlig logisch, dass sie gutes Material brauchten. Also schrieb ich „Wilkenson Sword" auf ihre Schwerter. Den Namen hatte ich aus der Fernsehwerbung.

Mein Bild erregte ein gewisses Aufsehen. Es wurde auf einer evangelischen Dekanatssynode gezeigt. Man stellte sich dort die Frage, ob Fernsehen die Kinder schädigen würde. Ich habe erst zwanzig Jahre später von diesem „Erfolg" erfahren.

Wenn Erwachsene wieder anfangen zu malen, schämen sie sich oft, wenn sie „wie ein Kind" malen. Aber es ist die einzige Art der Malerei, die einen Wert hat. Alles andere ist allenfalls der Versuch, so zu sein, wie alle anderen. Ich versuche wie ein „erwachsenes Kind" zu malen, also so, wie ich halt bin.

Meine Bilder habe ich nicht vorher im Kopf, wie viele glauben. Nein, ich erarbeite sie. Sie sind das Produkt kreativen Nachdenkens. Dabei hilft mir meine Erfahrung als Grafikdesigner. Ich entwerfe neue, fantastische Formen und Landschaften. Nichts ist so, wie man es fotografieren könnte. Sogar ein Thema sucht man meist vergebens. Ich versuche – so gut es halt geht, unpolitisch zu sein.

Allerdings rutscht mir sozusagen manchmal der Bleistift aus. Das passiert immer dann, wenn ich wieder von einer größeren menschlichen Dummheit erfahre. So zeichnete ich gerade an dem Kopf eines afrikanischen Kindes, als im Fernsehen ein Interview mit einem afrikanischen Bürgermeister aus Ghana lief, der traurig sagte: „Die Menschen werden immer mehr, aber das Land bleibt gleich groß. Ich weis nicht, was unsere Kinder einmal essen sollen." Die Augen des Kindes auf dem Papier wurden traurig. Ich beschloss, im Hintergrund Blumen zu zeichnen, als Symbol für die Natur in Afrika, die regelrecht aufgefressen wird.

Als Tschernobyl explodiert war, machte ich ein Bild von einem verkrüppelten Mädchen mit einem Atomkraftwerk im Hintergrund. Es war sehr leicht für mich, denn ich konnte das Mädchen aus dem Gedächtnis zeichnen. Ich habe mich einfach an ein contergangeschädigtes Mädchen aus meiner Kindheit erinnert. Tatsächlich werden in der Ukraine seit dem Reaktorunfall von Tschernobyl relativ viele Babies mit genau solchen Gliedmassen geboren, wenn sie denn lebensfähig sind oder nicht abgetrieben werden. Die Kinder, die in Vietnam nach dem Einsatz von Agent Orange geboren wurden und werden, sehen zum Teil genauso aus, wie die früheren Contergankinder in Deutschland.

Ich wünsche mir, dass die Betrachter beim Anblick gerade dieser Bilder erschrecken. Ich habe sie nämlich gemacht, weil ich nie wieder so was sehen wolle. Ich bin selber contergangeschädigt und muss tatenlos zusehen, wie die Erde langsam an der Gleichgültigkeit der Menschen sich selbst gegenüber stirbt. Wir leben in einer Zeit der Wissenschaft, in der scheinbar alles erklärt werden kann. Nicht nur in Europa flüchten sich viele in esoterische Gedankenspiele.

Ich glaube, dass Künstler unter anderem auch die Aufgabe haben, die Welt zu hinterfragen. Aber, neben aller Kritik braucht es auch den dringenden Hinweis auf die Schönheit der Welt. Wenn die Menschen die „Schöpfung" als brauchbar erkennen, hören sie vielleicht auf, sie zu verschlimmbessern.